Mittwoch, 10. Dezember 2008

Tierkommunikation Weihnachtsgeschichte 2008, Teil 1

Mir war danach, dieses Jahr die Geschichte von letztem Jahr fortzusetzen.
Voilà :-)


Weihnachtsvorbereitungen

Heinz kramte genervt in einer Schachtel voller Christbaumschmuck. „Ich kann die goldene Kugel mit dem Jesukind nicht finden!“ rief er in Richtung Küche, in der seine Frau Charlotte das Essen für den Weihnachtsabend vorbereitete. „Schau mal in der roten Schuhschachtel!“ klang es aus der Küche. Heinz machte seufzend die genannte Schachtel auf und wirklich, dort fand er seinen Lieblings-Weihnachtsschmuck: eine goldene Kugel, auf der ein süßes, lächelndes Jesukind abgebildet war. Vorsichtig nahm er die Kugel aus der Schachtel und hängte sie an den Baum.
Dabei fiel sein Blick auf Bella, die leise winselnd in ihrem Körbchen neben dem Weihnachtsbaum lag. Er ging zu ihr und streichelte sanft ihren Kopf. „Mäuschen, ist alles in Ordnung mit dir? Soll ich mit dir zum Tierarzt fahren?“ Bella sah ihn kurz an, doch Heinz hatte das Gefühl, sie sehe durch ihn durch, als würde sie ihn gar nicht richtig wahrnehmen. Sein Herz krampfte sich wie so oft in den letzten Tagen zusammen und er schüttelte besorgt den Kopf. Charlotte, die in dem Moment aus der Küche gekommen war, setzte sich neben Heinz auf den Boden neben den Hundekorb. „Glaubst du, sie hat Schmerzen?“ fragte sie Heinz. Er zuckte mit den Schultern. „Ich weiß es nicht. Ich habe keine Ahnung. Der Tierarzt konnte auch nicht viel mehr sagen, als dass ich sie beobachten und falls sie Schmerzanzeichen zeigt, wieder zu ihm kommen soll. Wie kann ich bloß erkennen, ob sie Schmerzen hat? Sie winselt immer wieder, aber ich weiß nicht, ob sie vor Schmerzen winselt, oder ob sie im Schlaf träumt. Sie scheint so weit entfernt, als ob sie gar nicht richtig anwesend ist. Ich weiß nicht, ob es nicht besser ist, wenn wir heute noch mit ihr zum Tierarzt fahren und sie einschläfern lassen. Zu Weihnachten kann man doch sicher weit und breit keinen Tierarzt erreichen.“
Bei diesen Worten rappelte Bella sich auf und ging auf wackeligen Beinen zu ihrem Fressnapf, der in den letzten Tagen, seit dem sie so abgenommen hatte, immer mit den besten Leckerbissen gefüllt war. Sie nahm ein paar kräftige Bissen, schlabberte eine ordentliche Menge Wasser und ging dann schwanzwedelnd zu ihrer Leine. Charlotte lachte: „Ich glaube, da hast du deine Antwort. Sie will mit dir Gassi gehen.“ Heinz stand lachend auf, legte Bella das Halsband um, nahm die Leine in die Hand und ging mit ihr auf die große Wiese hinter dem Haus. Bella trottete fröhlich vor Heinz her und schnüffelt einmal hier und einmal dort. Heinz konnte kaum glauben, dass es Bella so gut zu gehen schien, da sie die letzten Tage kaum von ihrem Körbchen aufstehen und nur mit großer Mühe ihr Geschäft im Freien erledigen konnte. Bella forderte Heinz schließlich sogar auf, mit ihr Stöckchen zu spielen und ganz vorsichtig spielte Heinz schließlich mit ihr im Schnee.
Als Bella außer Atem aber sichtlich fröhlich wieder in ihrem Körbchen neben dem Weihnachtsbaum lag, fiel Heinz der gemeinsame nächtliche Spaziergang am letzten Weihnachtsabend ein, als Heinz plötzlich Bellas Sprache sprechen konnte. Damals hatte Bella ihm gesagt, dass manche Menschen die Sprache der Tiere zu Weihnachten verstehen können. Stirnrunzelnd überlegte Heinz, ob es dieses Jahr wieder so sein würde. „Natürlich ist es wieder so,“ vernahm er eine Stimme hinter sich. Erschrocken fuhr er herum und konnte hinter sich nur Bella in ihrem Körbchen erkennen. „Du kannst mich nicht nur zu Weihnachten verstehen, doch du glaubst, dass du es nur zu Weihnachten kannst und deshalb kannst du es nur zu Weihnachten.“ Bella klang leicht belustigt. Heinz setzte sich neben ihr Körbchen und sah sie erstaunt an. „Wie meinst du das?“ Bella stupste ihn sanft mit der Nase an. „Ihr Menschen seid oft so kompliziert. Denkt, dass es auf der Welt diese und jene Regeln gibt. Dass alles nach strengen Gesetzen abläuft, Gesetze für die Natur, für den Straßenverkehr, für Hunde, für Kinder... sogar Gesetze für die Liebe.“ Heinz antwortete: „Ja aber wie soll es denn sonst funktionieren? Wie sollen wir sonst zusammenleben, wenn es keine Gesetze gäbe? Das ist doch notwendig. Der Straßenverkehr würde zusammenbrechen, wenn wir keine Gesetze hätten.“ Bella seufzte. „Ihr übertreibt es aber ein wenig. Kannst du dich noch erinnern, als du eine Strafe zahlen musstest, weil ich im Park frei herum gelaufen bin. Du hast mit dem Polizisten diskutiert, dass keine Menschenseele im Park unterwegs war, doch er meinte nur, es ist ein Gesetz und deswegen musst du Strafe zahlen. Und kannst du dich noch erinnern, als du Charlotte kennen gelernt hast? Sie war verheiratet und außerdem 5 Jahre älter als du. Du hättest beinahe nicht den Mut gehabt, ihr trotzdem deine Liebe zu ihr zu gestehen. Nur weil deine Liebe gegen irgendwelche ungeschriebenen Gesetze verstoßen hat.“ Heinz musste lächeln. „Du bist sehr schlau – nein, eher weise! Du hast schon recht, manchmal übertreiben wir es ein wenig mit unseren Regeln und Gesetzen.“ „Ja, das tut ihr. Ihr schränkt euch dadurch enorm ein. Du kannst an jedem Tag mit Tieren sprechen, nicht nur zu Weihnachten. Was du kannst, hängt immer davon ab, was du dir zutraust.“ Fasziniert hörte Heinz seiner weisen Freundin noch längere Zeit zu. Er war verblüfft, wie treffsicher, schonungslos und gleichzeitig liebevoll Bella die Kompliziertheit der Menschen analysierte und Heinz darauf stieß, wie sehr sich viele Menschen selbst im Weg standen.
Irgendwann kam Charlotte aus der Küche und setzte sich zu den beiden neben den Korb. „Ist alles in Ordnung? Es ist so still bei euch.“ Heinz antwortete ihr lächelnd: „Wir philosophieren miteinander.“ Charlotte lachte: „Das kann ich mir vorstellen, meine beiden Philosophen.“ Lächelnd gab sie ein Heinz einen Kuss und kraulte Bella den Nacken. „Ich meine es ernst. Ich kann verstehen, was Bella sagt. Ich kann ihre Sprache verstehen, wie damals vor einem Jahr, am Weihnachtsabend. Ich habe dir doch davon erzählt, kannst du dich erinnern?“ Charlotte sah die beiden nachdenklich an. „Bist du dir sicher, dass du nicht mit dir selbst redest?“ Heinz schüttelte vehement den Kopf. „Das sind nicht meine Gedanken. Sie sind so anders... sie klingen anders und fühlen sich auch anders an!“ Charlotte legte ihre Hand auf seine Schulter. „Ist ja gut. Ich glaube dir. Aber mich würde etwas interessieren: Könntest du Bella bitte fragen, wohin ich gestern Vormittag mit ihr gefahren bin?“ Heinz nickte. Bella sagte wie aus der Pistole geschossen: „Wir waren am See und haben die Enten beobachtet!“ Heinz sagte: „Bella sagt, ihr wart am See und habt die Enten beobachtet.“ Charlotte sah ihn mit offenem Mund an. „Woher weißt du das?“ Bella und Heinz kicherten im Chor und sahen sich vergnügt an.
Den Rest des Nachmittags probierte Charlotte, ebenfalls Bellas Sprache zu verstehen. Bella bemühte sich, ganz deutliche, klare Botschaften zu senden und Charlotte hatte schließlich das Gefühl, wirklich mit ihr kommunizieren zu können. „Das ist ja phantastisch. Wenn ich das bloß früher gewusst hätte...“ Unwillkürlich stiegen ihr bei diesem Satz Tränen in die Augen. Bella schleckte ihr sanft über die Hand. „Sei bitte nicht traurig. Ich werde zwar bald meinen Körper verlassen, doch das heißt nicht, dass ich dann nicht mehr da bin. Ich bin bei euch, nur in einer anderen Form. Nur meine Hülle stirbt, ich bin unsterblich.“
Charlotte putzte sich geräuschvoll die Nase. „Natürlich bist du dann weg! Ich kann dich nicht mehr angreifen, nicht mehr dein weiches Fell berühren. Du wirst mir nie mehr über die Hand schlecken oder mir die Pfote geben, wenn du ein Leckerli möchtest. Nie mehr werde ich deinen Geruch im Haus riechen oder dein Hecheln hören, oder dein Tapsen auf dem Boden. Das stimmt doch nicht, dass du dann noch da bist! Wie soll ich dich denn dann wahrnehmen?“
Bella legte ihren Kopf in Charlottes Schoß. „Ich kann dir nur sagen, wie es ist. Ich war schon oft in einem Körper und dann wieder ohne Körper. Es ist ein Kommen und Gehen. Wie die Sonne, die in der Früh kommt und am Abend wieder geht. Sie kommt und geht, immer und immer wieder, so lange du denken kannst. Und wenn es Nacht ist, dann weißt du doch, dass die Sonne da draußen irgendwo ist, auch wenn du sie im Moment nicht sehen kannst. Sie ist doch deswegen nicht weg, nur weil sie für dich unsichtbar ist. Weil du dich an ihren Strahlen nicht wärmen kannst!“ Charlotte schüttelte den Kopf. „Aber so einfach ist es nicht! Du kannst doch den Tod nicht mit einem Sonnenuntergang vergleichen!“ Bella schleckte ihr noch einmal über die Hand. „Doch, genauso ist es. Nicht mehr und nicht weniger. Ich werde meinen Körper verlassen, ihn hinter mir lassen wie eine alte Hülle, die mit zur Last geworden ist, die ich nicht mehr brauche. Ich lege die Hülle ab und alle Schmerzen, alle Beengtheit, alle Schwerkraft ist dann zu Ende. Und ich kann noch eine Zeit lang bei euch bleiben, ganz bewusst, weil ich es möchte. Bis es irgendwann o.k. ist, wenn ich gehe.“ Charlotte schüttelte den Kopf. „Ich weiß nicht, ob es jemals für mich o.k. sein kann, dass du gehst.“

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