Sonntag, 16. Dezember 2007

Tierkommunikations-Weihnachtsgeschichte, Teil 2

Der Heilige Abend

Hilde sank erschöpft auf die Couch. Der lange Tag war endlich vorbei. Alles war gut gelaufen. Die Kinder waren natürlich begeistert und wurden nicht müde, mit ihren neuen Spielsachen zu spielen und die Schokolade vom Baum zu naschen.
Die Schwiegereltern hatten sich halbwegs friedlich verhalten. Die ganze Familie war schließlich müde ins Bett gegangen, nur Hilde war noch auf und wollte sich gerade eine CD, die sie geschenkt bekommen hatte, anhören, als sie plötzlich ein Wispern hörte. Sie sah sich erstaunt um, konnte aber nur die beiden Meerschweinchen in ihrem Käfig entdecken. Rudi war ganz nah ans Gitter gekommen und sah sie erwartungsvoll an. „Na, kleine Rudi, hast du noch Hunger? Es gibt aber erst morgen wieder etwas.“ Hilde wollte sich schon umdrehen, als sie plötzlich wieder die leise Stimme vernahm „Bitte noch ein kleines Salatblatt. Mit leeren Magen kann ich so schlecht einschlafen.“ Hilde ließ erschrocken die CD-Hülle fallen und Rudi machte einen Satz nach hinten. „Puh,
du hast mich aber erschreckt!“ Hilde schüttelte den Kopf und sagte zu sich selbst „Ich bin wohl schon völlig übermüdet. Jetzt höre ich schon Rudi mit mir sprechen.“ „Ich spreche wirklich mit dir. Weißt du nicht, dass zu Weihnachten die Menschen mit den Tieren sprechen können?“ Hilde sah Rudi völlig erstaunt an. Langsam dämmerte ihr, dass ihr Meerschweinchen wirklich mit ihr sprach. „Könnte ich vielleicht das Salatblatt haben?“ Rudi sah sie flehend an und Hilde ging um die Küche, um zwei Salatblätter für Rudi und Sepp zu holen. „Sag, du
kannst wirklich mit mir sprechen? Das ist ja ein Ding! Da kann ich dich auch endlich fragen, ob es dich eigentlich stört, dass du Rudi heißt, wo du doch ein Weibchen bist.“ „Ist nicht so schlimm. Ich habe mich daran gewöhnt. Das ist ja nur der Name, den ihr Menschen mir gebt. Sepp nennt mich Sida. Sepp heißt auch nicht Sepp, ich nenne ihn Koni.“ Hilde sah sie erstaunt an. „Ihr habt gegenseitige Namen für euch? Die sind ja viel schöner, als Rudi und Sepp. Sida und Koni. Klingt wirklich schön.“ „Ich finde deinen Namen auch sehr schön –
Hilde, das klingt so sanft. Ich mag deinen Namen. Aber ich wollte dir eigentlich unbedingt etwas sagen. Ich möchte dir gerne dafür danken, dass du es durchgesetzt hast, dass Koni zu mir kommt. Ich weiß, alle haben sich dagegen gesträubt, aber du hast gelesen, dass ein Meerschweinchen alleine unglücklich ist. Und du hast nicht locker gelassen, bis Koni gekauft wurde. Ich war so glücklich. Weißt du, das Leben in Einzelhaft war wirklich schrecklich für mich. Und Koni ist so ein Lieber. Ich habe ihn ganz furchtbar lieb.“ Hilde sah Sida liebevoll an. „Ich habe gemerkt, wie sehr du dich über Sepp – ich meine Koni - gefreut hast.“ „Ich möchte dir aus tiefstem Herzen danken. Und ich möchte dir sagen, dass ich gerne bei euch bin. Ich freue mich darüber, dass die Kinder
lernen können, wie man mit Tieren umgeht und lernen, Verantwortung zu übernehmen. Es ist nicht immer einfach, manchmal sind sie etwas stürmisch. Aber sie schenken uns so viel Liebe und das ist schön. Du hast tolle Kinder. Und du bist auch eine ganz tolle, liebe Frau. Ich habe dich sehr, sehr lieb.“ Hilde schaute ganz gerührt, voller Freude und Liebe auf Sida und Koni. Sie sah die beiden plötzlich in einem ganz neuen Licht. „Habt ihr irgendwelche Wünsche an mich, kann ich euer Leben irgendwie schöner machen?“ Sida sah Hilde dankbar
an. „Es wäre schön, wenn du uns länger und öfter frei im Zimmer laufen lassen könntest. Das macht so viel Spaß. Es ist der Höhepunkt unseres Tages.“ Hilde versprach es und ging dann voll kindlichem Staunen und voller Liebe im Herzen ins Bett.

Bella konnte es kaum erwarten, bis Heinz am Heiligen Abend die Spazierrunde mit ihr drehte. Als sie ein paar Schritte gegangen waren, blieb sie stehen und sah ihr Herrchen erwartungsvoll an. „Was ist los? Komm, gehen wir weiter!“ Bella sah ihn schwanzwedelnd mit großen Augen an. „Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich habe?“ Heinz ließ vor Schreck fast die Leine fallen. Er blickte sich suchend um, konnte aber keine Menschenseele auf der Straße erkennen. Bella sah ihn weiter schwanzwedelnd an. „Ich habe das gesagt. Zu Weihnachten könnt ihr
Menschen unsere Sprache verstehen. Du bist das beste, liebste, tollste Herrchen der Welt.“ Bella sprang an Heinz hoch und schleckte ihm das Gesicht ab. Heinz war viel zu baff, um es ihr zu verbieten. „Ich hab dich so lieb. Ich hab dich sooooo lieb. Du bist sooooo ein tolles Herrchen! Komm, spielen wir im Schnee. Bitte, komm, das macht so viel Spaß.“ Heinz ließ sich lachend von Bella in die verschneite Wiese ziehen und sie tobten ausgelassen durch den Schnee. Heinz hatte sich lange nicht so jung gefühlt. Dann standen beide keuchend bzw.
hechelnd in der Wiese und sprachen darüber, wie sie sich kennen gelernt hatte, wie Bella sich als Welpe Heinz ganz zielstrebig ausgesucht und ihm nicht mehr von der Seite gewichen war, wie sie gute und schwierige Zeiten, Trauer, Verlust, aber auch wunderschöne Tage, Urlaub am Meer, Ausflüge im Schnee gemeinsam
erlebt hatten. Und sie sagten einander immer wieder, wie lieb sie einander hatten. An diesem Abend sank Heinz mit einem riesengroßen Lächeln auf den Lippen ins Bett und Bella machte es sich mit einem zufriedenen Seufzen in ihrem Bettchen neben ihm gemütlich.

Lisa, Marco, Stupsi und Max hatten auch ganz liebevolle Begegnungen mit ihren Menschen. Sie konnten ihre Wünsche anbringen und vor allem ihren Menschen endlich sagen, wie lieb sie sie hatten. In dieser Nacht veränderte sich etwas in den Leben dieser Tiere und ihrer Menschen. Die Menschen sahen ihre Tiere danach mit ganz anderen Augen. Sie versuchten, mehr auf die Bedürfnisse und Wünsche der Tiere einzugehen, ihnen die Wünsche buchstäblich von den Augen abzulesen – und die Tiere dankten es ihnen so sehr. Mit lieben Blicken,
Nasenstupsern, Anschmiegen, Abknuddeln, einem zufriedenen Gesichtsausdruck – einfach mit ganz viel Liebe und Dankbarkeit. Und wie durch ein Wunder sahen die Menschen seit diesem Abend die Welt mehr mit ihrem Herzen. Sie sahen, wie viel Liebe in ihrem Leben vorhanden war, welch wunderbare Menschen und Tiere
mit ihnen ihr Leben teilten. Wie viel Liebe ihnen geschenkt wurde und wie viel Liebe sie schenken durften.

Es war die Nacht, in der ihr Herz wieder die Führung in ihrem Leben übernehmen durfte und sie ihr Staunen, das Leuchten in ihren Augen und den Glauben an Wunder, die sie in der Kindheit verloren geglaubt hatten, wieder fanden.


Frohe Weihnachten!

Tierkommunikations-Weihnachtsgeschichte, Teil 1

Versammlung der Tiere
Dieses Jahr beschloss eine Gruppe von Tieren, ihren Menschen ein ganz besonderes Geschenk zu machen: Sie wollten sie an die Kraft der Liebe erinnern. Einige Tage vor dem Weihnachtsfest versammelten sie sich auf einer Waldlichtung und berieten, was sie tun könnten, um das Herz ihres geliebten Herrchens oder Frauchens zu berühren.
Kater Max meldete sich zu Wort. „Wir jagen so viele Vögel, wie wir können und schenken sie ihnen als Liebesbeweis. Wenn wir den ganzen Tag ohne Unterlass jagen und die Geschenke vor ihnen auftürmen, dann werden sie sehen, wie groß unsere Liebe zu ihnen ist.“
Die Stute Lisa schüttelte angewidert den Kopf. „Tote Mäuse als Liebesbeweis? Wie ekelerregend! Ich werde mein Frauchen stundenlang abschmusen, dann spürt sie, wie lieb ich sie habe!“ Marco, ein pensioniertes Rennpferd stampfte mit dem Huf auf. „Wenn du das tust, wird dein Frauchen denken, du bist respektlos und dir einen Klaps auf die Nase geben. Die Menschen schätzen es nicht, wenn wir eigene Initiative ergreifen. Und wenn ein Pferd sie abschmust, glauben sie nur, es sucht nach einem Leckerli. Sie verstehen uns manchmal einfach überhaupt nicht!“
„Also mein Herrchen mag es sehr, wenn ich ihm meine Liebe durch Schmusen zeige“ meldete sich die Golden-Retriever Hündin Bella. „Wenn er vor dem Fernseher sitzt, dann kuschelt er stundenlang mit mir, streichelt mich und freut sich, wenn ich mich an ihn kuschle.“
„Das machst du aber dann ohnehin jeden Tag, Bella. Wir brauchen etwas, was die Menschen wirklich aus ihrem Alltag und ihren ganzen Gedanken aufrüttelt. Sie sind immer so weit weg. Immer in Gedanken und immer im Stress. Und dabei übersehen sie das Wesentliche.“ Die Meersau Rudi blickte traurig in die Runde. „Sie übersehen das Innehalten, das Stillwerden, das Genießen der Anwesenheit eines lieben Wesens. In ihrer Hektik und ihrem Tun-Müssen haben sie kaum Zeit für die Liebe. Liebe ist für die Menschen etwas begrenztes, genau definiertes, mit vielen Regeln eingeschränktes. Sie haben genaue Zeiten, Orte, Menschen, Tiere, die sie lieben, wo sie lieben, wann sie lieben. Liebe ist nicht das Zentrum ihres Lebens. Es ist eine Beschäftigung wie Essen oder Zeitung lesen. Ich finde das einfach traurig!“
Die anderen Tiere sahen betroffen aus. „Das stimmt,“ rief das Kaninchen Stupsi. „Ich werde immer nach dem Abendessen auf den Schoß genommen und gestreichelt. Meine Menschen haben einen ganz genauen Zeitplan, wann sich die Kinder mit mir beschäftigen dürfen und wann nicht. Sie dürfen nicht einmal zwischendurch in den Käfig greifen und mich streicheln – weil dann müssten sie sich wieder die Hände waschen, um sich nicht mit Keimen anzustecken. Was sind das für Zärtlichkeiten, die nach einem genauen Zeitplan ablaufen!?“
Rudi machte einen Schritt auf die anderen Tiere zu. „Was wollen wir tun? Wie glaubt ihr, können wir das Herz unserer Menschen erreichen?“ Die Tiere steckten die Köpfe zusammen und diskutierten eifrig. Es wurden Pläne geschmiedet, Theorien gewälzt, Ideen geboren und wieder verworfen. Es war schon dunkel geworden und die Tiere waren noch keinen Schritt weiter gekommen.
Auf einmal erhob sich der kleine Hamster Emil und sagte aufgeregt zu den anderen Tieren: „Ich habe eine Idee! Mir ist gerade etwas eingefallen: Am Weihnachtstag können die Menschen, die reinen Herzens sind, unsere Sprache verstehen! Ich kann mich an letztes Jahr erinnern. Plötzlich konnte ich mit meinem Frauchen sprechen! Sie hat mich verstanden. Es war so wunderschön! Ich habe ihr gesagt, wie lieb ich sie habe und dass ich den Käfig lieber in einer dunkleren Ecke stehen hätte, weil mich die Sonne oft aufgeweckt und geblendet hat. Und ich habe sie gebeten, mich öfter laufen zu lassen und mir den Bauch ganz sanft zu massieren, weil ich öfter Bauchschmerzen hatte. Und sie hat das alles getan! Es war mein allerschönstes Weihnachten. Ich fühlte mich so geliebt und willkommen und ernst genommen. Und ich habe das Gefühl, dass sich die Beziehung zu meinem Frauchen seitdem komplett gewandelt hat. Ich merke es an ihren Augen – sie sieht mich als denkendes Wesen mit Wünschen und Vorlieben! Das hat sie glaub ich vorher nicht getan.“

Die anderen Tiere sahen Emil einen Moment erstaunt an. Dann brach ein regelrechter Tumult aus. „Ich möchte auch mit meinem Frauchen reden können!“ „Ich wünsche mir so lange schon ein anderes Halsband. Meines kratzt immer so am Hals. Das könnte ich Herrchen endlich erklären!“ „Ich würde so gerne wieder einmal Fisch essen. Mein Frauchen gibt mir so selten welchen. Aber der schmeckt so gut! Vielleicht würde sie mir den Wunsch erfüllen!“ „Mein Sattel drückt so und mein Frauchen versteht nicht, dass ich deswegen so steif gehe. Ich könnte es ihr erklären. Vielleicht gäbe es eine Lösung!“ „Ich hätte so gerne wieder einmal Zuckerrüben. Ich habe schon jahrelang keine bekommen und sie schmecken mir so unendlich gut!“ „Salat! Ich beginne schon, von Salat zu träumen! Frauchen gibt mir so selten welchen. Ich könnte ihr erklären, wie sehr ich mich danach sehne!“ „Ich vermisse meine Kinder so sehr. Vielleicht weiß Frauchen, wo sie sind und ob es ihnen gut geht!“ Die Tiere riefen durcheinander und stachelten sich gegenseitig mit Wünschen an, die sie an ihre Menschen hätten und was sie ihnen alles sagen wollten.
Stupsi blickte nachdenklich in die Runde. „Aber wenn mein Frauchen nicht reinen Herzens ist, dann kann sie mich nicht verstehen, oder? Was tue ich dann?“ Stupsis Augen blickten auf einmal ganz traurig. „Ich würde ihr doch so gerne sagen, wie lieb ich die Familie habe und wie gut es mir gefällt, durch das Zimmer zu toben. Sie kümmern sich so gut um mich und ich kann nicht einmal danke sagen.“
Emil ging zu Stupsi und rieb zärtlich die Nase an seinem Fell. „Ich habe eine Idee! Wir müssen nur auf den Heiligen Abend warten. Unsere Menschen werden den ganzen Tag gestresst sein, beschäftigt mit Kochen und Geschenke- Verpacken und Baumaufputzen. Am Abend sehen sie dann den Weihnachtsbaum, all die bunten Lichter, das Leuchten in der Augen der Kinder und die Freude beim Geschenke-Auspacken. Wenn alles vorbei ist, alles still und sie erfüllt sind vom weihnachtlichen Zauber und Funkeln, dann sprechen wir sie an. Glaubt mir, es kann funktionieren!“
Die Tiere hatten zwar noch ihre Zweifel, ob dieser Plan gerade bei ihren Menschen funktionieren würde, doch sie gaben sich gegenseitig Hoffnung und beschlossen, es einfach zu probieren.


Fortsetzung: siehe Teil 2