Mittwoch, 24. März 2010

Newsletter Nr. 22

Lang ist's her, dass sich in diesem Blog etwas getan hat. Hoffe, ich kann ihn wieder ein wenig aufleben lassen.

Der Newsletter 22 (März 2010) ist inzwischen online und hier aufrufbar!

Die Themen des Newsletter sind:

Aktuelle Termine
Die 12 göttlichen Strahlen: aquamarinfarbener Strahl
Gruppe 5 der Tierkommunikations- und Tierenergethik Ausbildung ab Herbst 2010
Krieger des Lichts?
Neues Zuhause gesucht!
Seelenflüstern auf Facebook

Weihnachtsgeschichte 2009 - Weihnachten im Dschungel

Weihnachten im Dschungel: Seelenflüstern Weihnachtsgeschichte 2009

Besuch

Kamahra streckte und räkelte sich und öffnete langsam die Augen. Nur ganz allmählich kehrte sie aus den wohligen Bildern ihres Traumes in den Alltag zurück.
Sie blickte sich um, sah Banji und Pin, die bereits wach waren und nach Essbarem suchten. Kamahra atmete tief durch und begab sich zu den beiden. Banji sah sie prüfend an. „Bist du krank? Du siehst so müde aus.“ Kamahra beruhigte ihn. „Ich habe nur von der Heimat geträumt. Ich bin noch nicht ganz angekommen.“
Banji und Pin blickten sich an. In letzter Zeit träumte Kamahra oft von ihrer gemeinsamen, fernen Heimat. Die beiden machten sich langsam Sorgen um ihre Mitbewohnerin und fragten sich, ob diese Träume eine Nebenerscheinung ihres fortschreitenden Alters waren. Ihre langsamen, vorsichtigen Bewegungen waren ihnen schon länger aufgefallen, und sie fragten sich, wie lange Kamahra wohl noch bei ihnen bleiben werde, bevor ihr Körper ihr den Dienst versagen würde.
Kamahra blickte auf. „Essenszeit!“ Die drei eilten zur Öffnung, durch die die Nahrung zu ihnen geschoben wurde. Eine Zeit lang war nur friedliches Kauen zu hören.
Als sie ihr Mahl beendet hatten, begaben sich die drei ins Freie. Sie suchten sich gemütliche Plätze und legten sich zu einem Verdauungsschläfchen. Bald darauf vernahmen sie die ersten Stimmen. Der Besuchereinlass hatte begonnen. Die drei beobachteten die einzelnen Menschen, die den Weg zu ihrem Zuhause entlang schlenderten und sie neugierig anblickten. Banji stand auf und kletterte einen Baumstamm entlang, um zu einem höher gelegenen Platz zu gelangen. Ein Kind deutete auf ihn und rief begeistert: „Schau, Mama, der sieht ja lustig aus.“ Kamahra blickte das Kind liebevoll an und sagte zu Pin: „Menschenkinder sind so hässlich, sie sehen nackt und seltsam aus, doch ich mag sie. Sie sind so direkt, sagen immer das, was sie sich denken.“ Pin waren die Menschen ziemlich egal und sie zwickte Kamahra in die Schulter, um sie zum Spielen aufzufordern. Diese schüttelte sie ab und brummelte: „Lass mich, Pin, ich möchte jetzt nicht spielen.“ Banji rügte Pin: „Lass Kamahra in Ruhe! Sonst komme ich runter und zeige dir, was ich von deinem ständigen Nerven halte.“ Pin grummelte und drehte den beiden den Rücken zu. Kurz darauf tollte sie fröhlich einen Baumstamm hinauf und schien die Rügen der beiden Alten vergessen zu haben. Die Besucher waren begeistert und drängten sich an die Scheiben.
Kamahra fragte sich wie so oft, was die Besucher dazu bewegte, hier zu ihnen zu kommen. Was wollten sie sehen oder erleben? Warum waren sie so eine Attraktion? Ihre Mutter hatte ihr vor langer Zeit erklärt, dass die Menschen die Ähnlichkeit zu ihnen aufregend fanden und sie deswegen so eine Besonderheit im Zoo waren. Kamahra gab sich eine Zeit ihrer Lieblingsbeschäftigung hin. Sie las die Gedanken der Besucher und versuchte heraus zu finden, was in ihnen vorging. Seit ihrer Geburt versuchte sie eine Antwort auf die Frage zu finden, wie eine Tierart so grausam sein kann, eine andere gefangen zu halten. Für sie waren Menschen nichts anderes als eine Tierart. Zwar anders als Tiger, Zebras oder Schildkröten, weil sie komische Kleidung trugen und mit kleinen Kästchen herum liefen, in die sie hinein sahen und dann darauf drückten, und dass sie eine Lautsprache hatten, doch im Grunde waren sie nichts anderes als Tiger, Zebras oder Schildkröten.
Sie schloss die Augen und ließ die Gedanken, Gefühle und Bilder der Menschen auf sich wirken. Plötzlich riss sie etwas aus ihrer Konzentration. Sie vernahm geistig eine Art freundliche Begrüßung und die Frage, ob sie kommunizieren wollte. Sie öffnete die Augen und sah eine junge Frau einige Meter von ihr entfernt stehen. Sie hatte einen Block und einen Stift in Händen und sah sie eindringlich an. Kamahra war überrascht. Das war ihr in den vielen Jahren ihres Lebens noch nie passiert. Ein Mensch, der sie direkt anredete. Sie bewegte sich ein paar Schritte auf die junge Frau zu und fragte: „Wer bist du?“ Die junge Frau blickte sie freundlich und offen an und antwortete: „Ich bin Judith. Ich habe vor einiger Zeit ein Seminar besucht, in dem wir geübt haben, mit Tieren zu kommunizieren. Ich würde gerne mit dir üben. Ist das okay?“ Kamahra hatte davon gehört, dass es ein paar Menschen gab, die sich bemühten, die lautlose der Sprache der Tiere wieder besser zu verstehen. Doch sie hatte nie gedacht, dass so jemand je den Weg zu ihr finden würde. Sie hatte es insgeheim gehofft, doch nicht erwartet. Sie ging noch ein paar Schritte auf die junge Frau zu und setzte sich dann vor ihr hin. „Schön, dass du da bist. Ich rede gerne mit dir.“ Die junge Frau sah auf ihren Zettel. „Magst du mir erzählen, wie es dir geht?“ Kamahra nahm sich Zeit, ihr die Emotionen möglichst deutlich zu vermitteln, die im Moment in ihr vorgingen. Eine Mischung aus Freude, Überraschung, Langeweile aufgrund des Zooalltags und die tiefe Traurigkeit, die alle ihre Tage überschattete. Sie bemerkte, dass die junge Frau auch immer trauriger wurde, je länger sie sich auf Kamahra konzentrierte und bald kullerten auf Judiths Wangen Tränen herab.
Kamahra versuchte, sie zu trösten. „Sei nicht traurig. Es ist okay, so wie es ist. Ich habe mich mit meinem Leben abgefunden. Ich bin nicht glücklich, sogar manchmal richtig verzweifelt, doch ich komme damit zurecht. Es ist ja nicht für ewig. Irgendwann bin ich wieder frei und kann zu meinen Babies.“ Judith blickte mit Tränen in den Augen von ihrem Block auf, auf den sie eifrig geschrieben hatte. „Welche Babies?“ Kamahra zeigte ihr Bilder von ihren drei verstorbenen Babies. Alle drei waren tot geboren worden und bei jedem einzelnen war etwas in Kamahra zerbrochen. Doch sie hatte versucht, den Scherbenhaufen ihres Lebens wieder einzusammeln und von vorne zu beginnen. Drei Mal hatte sich dies wiederholt, bis schließlich ihr Körper kein Baby mehr aufgenommen hatte. Kamahra träumte oft von den Seelen ihrer drei Kinder und wünschte sich oft nichts sehnlicher, als eines von ihnen in ihren Armen halten zu können.
Judith wischte sich die Tränen von der Wange und putzte sich die Nase. „Kann ich irgendetwas für dich tun? Ich möchte so gerne etwas beitragen, dass es dir ein wenig besser geht. Doch ich weiß nicht, was!“ Kamahra atmet tief durch. „Erzähle uns etwas. Das würde Abwechslung in unseren langweiligen Tag bringen.“
Und so kam es, dass Banji, Pin und Kamahra es sich gemütlich machten und Judith ihnen geistig Bilder von der Welt außerhalb des Zoos schickte. Die drei hatten viele Fragen. Sie wollten alles über ihre Wohnung, die Uni und Judiths Arbeit wissen. Banji war ganz besonders interessiert und stellte viele Fragen.
„Was hängen da für bunte Dinger an den Wänden in deinem Zuhause?“ - „Das sind Vorhänge.“ - „Kann man da rauf klettern?“ Judith musste beim Gedanken an den großen Menschenaffen, der ihre Vorhänge hinauf kletterte lachen. „Ich glaube nicht, die werden sonst kaputt.“
Kamahra interessierte sich vor allem für die Farben und das Essen in Judiths Wohnung. „Alles ist so bunt bei dir. Aber du hast so wenig Pflanzen. Was isst du?“ Judith zeigte ihr ein Bild vom geöffneten Kühlschrank und nahm darauf hin ein einhelliges „Mmmmmmhhhhmmmmm...“ wahr.
Die drei wollten so viel von ihr wissen. Was sie auf der Uni lernte. Sie erzählte von ihrem Biologie-Studium. Pin fragte, ob es ihr Spaß machte, sich so viel Wissen anzueignen. Judith verneinte. „Spaß macht es eigentlich keinen. Es ist so theoretisch.“ Pin sah sie mit großen Augen an und fragte verständnislos, „Was ist theoretisch?“ Judith versuchte, es ihr möglichst einfach zu erklären. „Stell dir vor, du isst keine Bananen sondern lernst statt dessen, wo sie wachsen, welche Nährstoffe sie haben etc.“ Pin schüttelte den Kopf. „Das ist ja total langweilig! Wer will denn so etwas wissen?“ Judith lachte „Sage ich doch, es macht wirklich keinen Spaß!“
Banji interessierte sich besonders für ihren Computer, den sie in der Arbeit benutzte. „Was tust du damit?“ Judith versuchte, ihm ein Bild davon zu schicken, wie sie viele Informationen auf den Bildschirm holte. Banji verstand nicht, was Informationen waren. Judith versuchte, es ihm anhand von Beispielen zu erklären. „Ich kann mir zum Beispiel Bilder von Euch und allen anderen Tieren im Zoo ansehen. Oder auch eine Liste ausdrucken mit allen Tieren, die hier leben. Die Öffnungszeiten des Zoos. Oder ich kann Dinge bestellen.“ Banji horchte auf und fragte sie, ob sie auch Essen bestellen könne. Judith bejahte und Banji meinte sehnsüchtig „Das möchte ich auch können. Ich würde mein Lieblingsfutter bestellen – haufenweise!“ Judith ergänzte, „Ich kann mir auch Bilder aus Eurer Heimat ansehen, Bilder aus dem Regenwald.“ Die drei sahen überrascht auf. Banji sprach aus, was alle drei dachten: „Bilder aus dem Regenwald? Bitte zeig uns ein paar Bilder aus unserer Heimat! Wir sehnen uns so sehr danach!“ Judith sah ihn verwirrt an. „Wie soll ich euch die Bilder denn zeigen?“ Pin platze ungeduldig heraus: „Na schicke sie uns doch geistig! Du siehst sie an diesem Computer an, merkst sie dir und konzentrierst dich dann darauf, wenn du das nächste Mal hier bist. Bitte komm bald wieder mit Bildern vorbei.“

Heimat
Und so kam es, dass Judith nun immer wieder Fotos aus dem Regenwald aus dem Internet herunter lud und sie in Gedanken zu den drei Menschenaffen in den Zoo schickte. Sie genossen die Bilder aus ihrer Heimat in vollen Zügen und stellten sich lebhaft vor, wie es wäre, sich unter dem Blätterdach der riesigen Urwaldbäume von Ast zu Ast zu schwingen und sich hoch oben in den Bäumen schlafen zu legen.
Als die Monate vergingen und Judith das Gefühl hatte, eine immer engere Beziehung zu ihren drei Freunden aufzubauen, nahm ein Plan in ihr immer konkretere Formen an. Sie wollte die drei überraschen und sie auf einen geistigen Ausflug in den Dschungel einladen. Dazu sammelte sie unzählige Fotos und Informationen und bemühte sich, ihren Plan und ihre Gedanken dazu geistig vor den drei zu verstecken.
Eines sonnigen Wintertages kurz vor Weihnachten steckte sie einen Packen Urwald-Fotos in ihren Rucksack und machte sich auf den Weg in den Zoo. Sie hatte ihren Besuch geistig angekündigt und die drei hielten schon Ausschau nach ihr. Die anderen Besucher machten große Augen, als die drei Menschenaffen fröhlich auf Judith zugelaufen kamen, als diese an der Glasscheibe auftauchte. Kamahra streckte ihr ihre Hand entgegen und berührte die Scheibe von innen. Judith tat es ihr nach und berührte die Scheibe von außen. Sie standen eine Weile da und sahen sich tief in die Augen. Judith kam es vor wie eine Ewigkeit, bis sich ihre Hände und Augen wieder voneinander lösten. Sie hatte den Eindruck, für einen Moment tief die Seele der Affendame geblickt zu haben.
Judith zog sich in einen ruhigen Winkel im Affenhaus zurück, an dem sie ungestört war, zog die Bilder aus ihrem Rucksack und konzentrierte sich auf ihre drei Freunde.
Sie lud sie ein, geistig in die Bilder einzusteigen und mit ihr einen Ausflug in den Regenwald zu machen. Kamahra, Banji und Pin zweifelten am Anfang, ob es wirklich funktionieren würde, doch dann ließen sie sich gerne auf das Experiment ein. Judith leitete den Ausflug an und lud sie ein, sich das Blätterdach des Dschungels, den weichen Boden unter ihren Füßen, die hohen Bäume, die Gerüche und Geräusche so lebhaft wie möglich vorzustellen. Kamahra, Banji und Pin sahen sich überrascht an, denn mit einem Moment standen sie mit Judith mitten im Regenwald. Begeistert begannen sie, ihre Umgebung zu erkunden.
Pin kletterte sofort auf den höchsten Baum und brach in lautes, begeistertes Geschrei aus: „Schaut, ich bin ganz oben, ihr seht so klein und lustig aus! Versucht mich doch zu fangen!“ Kamahra und Banji schüttelten den Kopf über so viel Übermut und schwangen sich gemächlich einen Baum empor. Als sie süße Früchte fanden, ließen sie sich nieder und mampften genüsslich. Judith beobachtete ihre zufriedenen Freunde und lächelte.
Auf einmal hörte sie lautes, aufgeregtes Geschnatter und sah eine Horde Menschenaffen auf ihre drei Freunde zukommen. Die frei lebenden Affen beäugten die drei Zoobewohner misstrauisch, gingen dann vorsichtig auf sie zu und begrüßten sie dann erstaunt.
Judith hatte gedacht, dass sie aggressiv auf ihre Freunde reagieren würden, doch auf diesem geistigen Ausflug war so einiges anders. Alle waren ganz friedlich und freundlich.
Die freilebenden Affen waren sehr neugierig und wollten alles von den Zoobewohnern wissen. Umgekehrt wollten auch Kamahra, Banji und Pin alles über das Leben in Freiheit wissen. Judith hörte lange Zeit nur ein angeregtes Schnattern.
Dann rief Pin plötzlich ausgelassen: „Wer spielt mit mir fangen?“ Sofort begann ein junger Affe, sie spielerisch zu jagen und Pin sprang mit großen Sätzen im Blätterdach der Bäume umher. Die anderen Affen sahen vergnügt zu und schüttelten die Köpfe über so viel jugendlichen Übermut. Als die beiden ihr Spiel beendeten, kamen sie mit leuchtenden Augen bei den anderen an. Pin rief begeistert: „Es ist so toll hier! Ich weiß, wir müssen bald wieder nach Hause zurück, doch können wir wieder hierher kommen? Ich fühle mich so frei hier. Das Leben ist hier einfach herrlich!“
Die Affen beratschlagten einige Zeit, fragten auch Judith um ihre Meinung und kamen dann zu dem Schluss, dass nichts dagegen spräche, von Zeit zu Zeit geistig einen Ausflug in den Urwald zu unternehmen.
Judith hatte ihre Freunde noch nie so glücklich gesehen und war unendlich froh, ihnen zu diesem schönen Ausflug verholfen zu haben.
Im nächsten Moment waren die vier geistig wieder in den Zoo zurück gekehrt. Die drei Menschenaffen hatten noch immer leuchtende Augen und Pin tobte ausgelassen im Gehege umher. „Das Leben ist schön! Das Leben ist schön!“ rief sie immer wieder.
Kamahra näherte sich wieder der Scheibe, hinter der Judith saß und sah sie lange und intensiv an. „Ich danke dir, du bist eine wahre Freundin! Danke für die schönen Bilder aus unserer Heimat. Wir werden gerne immer wieder dorthin zurück kehren, wenn uns der Alltag hier im Zoo belastet. Doch hast du eine Idee, was wir mit den anderen Tieren hier tun können? Manche sind doch auch so verzweifelt wie wir und sehnen sich so nach der Freiheit. Könntest du vielleicht auch manchen von ihnen Bilder aus der Wildnis schicken?“
Judith überlegte kurz und sagte dann: „Ich werde mit ein paar Freunden von mir sprechen. Sie lernen auch die intuitive Kommunikation mit Tieren und vielleicht machen sie mit und schicken den verschiedensten Tieren, die in Gefangenschaft leben, Bilder aus ihrer Heimat. Mit Hilfe des Internets ist das ja ganz einfach. Könnt ihr sie schon einmal vorinformieren, dass vielleicht ein paar Menschen kommen, die ihnen etwas Gutes tun möchten?“
Kamahra versprach, am Abend mit den anderen Tieren zu sprechen und ihnen von ihrem wunderschönen Ausflug in den Regenwald zu berichten.

Veränderungen
In den nächsten Wochen nahmen die Zoobesucher seltsame Veränderungen an den Zootieren wahr. Auch die Tierpfleger wunderten sich über die gute Laune ihrer Schützlinge. Es schien, als wären immer wieder bestimmte Tiere von einer ganz besonderen Ausgelassenheit erfüllt. Ihre Augen leuchteten und sie tobten teilweise ganz unüblich in ihren Gehegen umher.
Zuerst befürchtete man einen Virus oder eine andere Erkrankung, doch die Untersuchungen der Tierärzte ergaben keine Abweichungen. Es war ein rätselhaftes Phänomen, das die Zooleitung schließlich auf den Ausbau der Gehege und die verbesserten Lebensumstände der Tiere zurückführten. Sogar das Fernsehen und die Tageszeitungen berichteten über die witzigen Kapriolen, die manche Tiere schlugen.
Als der Frühling ins Land zog, wurden die Tiere noch ausgelassener und fröhlicher. Ein Fernsehsender zeigte einige Tiere, die die lustigsten Turnübungen in ihren Gehegen unternahmen und die Besucher immer und immer wieder zum Lachen brachten. Sie betitelten den Beitrag mit „Frühlingsgefühle im Zoogehege“. Und im Laufe der Monate führten die sogenannten Frühlingsgefühle auch dazu, dass besonders viel Nachwuchs erwartet wurde. Die erwachsenen Tiere wurden durch den Nachwuchs weiter beflügelt und die Stimmung stieg und stieg.
Als Judith im Sommer wieder einmal ihre Freunde besuchen kam, liefen sie ihr schon von weitem entgegen. Sie redeten ganz aufgeregt durcheinander. Banji setzte sich als erster durch: „Es ist so lustig hier geworden. Die Elefanten erzählen uns ständig Witze, die ihnen irgendwelche Menschen aus dem Internet gesucht haben.“ Pin lachte vergnügt: „Ja, sie haben mir einen Schneckenwitz erzählt und ich hab ihn dann gleich Kamahra erzählt, weil die ist auch manchmal so eine Schnecke. Und sie war dann total sauer auf mich.“ Kamahra grummelte: „Die Kleine ist so frech geworden. Sie erzählt uns dauernd neuen Unsinn. Aber es ist wirklich lustig geworden hier. Ich habe gar nicht mehr das Gefühl, soooo alt zu sein.“ Sie lächelte.
Judith fragte neugierig: „Was war das für ein Schneckenwitz?“ Kamahra machte ein saures Gesicht. „Los, erzähl ihn ihr schon! Ich nehme ihn sowieso nicht persönlich.“
Pin schüttelte sich vor Lachen aus und erzählte Judith zwischen mehreren Kicheranfällen: „Zwei Schnecken treffen sich, die eine hat ein ganz verbeultes Haus. Fragt die eine Schnecke: 'Was ist denn dir passiert' darauf die andere: 'stell dir vor: ich renn durch den Wald, schießt ein Schwammerl aus dem Boden und ich bin voll reingeknallt!'“ Pin schüttelte sich aus vor Lachen und Kamahra bemühte sich, würdevoll drein zu schauen. „Ich fühl mich gar nicht angesprochen!“
Banji warf ein: „Ich habe von den Ameisenbären noch einen viel lustigeren gehört. Hört mal zu: Ein Menschenkind, seine Grossmutter und sein Vater gehen zusammen in den Zoo. Als der Vater ein wenig entfernt ist, sagt das Menschenkind: 'Schau mal, Oma, dieser Affe sieht aus wie Papa.' Da sagt die Oma: 'Geht es dir noch gut? Das ist eine Beleidigung!' Da antwortet das Menschenkind: 'Aber der Affe hört mich doch nicht aus dieser Entfernung.'
Alle vier zerkugelten sich vor Lachen. Die anderen Zoobesucher sahen Judith ärgerlich an und sie versuchte, so zu tun, als ob nichts wäre. Die drei Affen kicherten weiterhin vor sich hin und setzten sich dann vor Judith hin. Sie sahen aus, als hätten sie eine Botschaft. So war es auch.
Banji ergriff das Wort: „Liebe Freundin. Wir möchten dir aus ganzem Herzen dafür danken, dass du mit uns Kontakt aufgenommen und uns so viele schöne Bilder aus der Heimat geschenkt hast. Weißt du, der Kontakt zwischen euch Menschen und uns Menschenaffen ist für beide Seiten sehr wichtig. Wir sind uns so ähnlich und doch verschieden. Ihr führt ganz andere Leben als wir, habt einen anderen Tagesablauf und andere Prioritäten, doch im Herzen sind wir sehr ähnlich. Wir empfinden so wie ihr sehr tiefgehende Emotionen und uns belasten sehr ähnlichen Themen. Es ist für uns im Grunde unerträglich, in diesem Gehege eingesperrt zu sein. Es fühlt sich alles so sinnlos an. Wir haben keinen natürlichen Herdenverband, keinen Nachwuchs und es ist alles so schrecklich langweilig. Danke, dass du nicht an uns vorüber gegangen bist, sondern unsere Freundin geworden bist. Wir können dir nicht sagen, wie viel es uns bedeutet. Und nun gehe hinaus in deine Welt und erzähle den anderen Menschen davon, dass wir fühlende, denkende Geschöpfe mit einem großen Herz und einer großen Seele sind. Erzähle ihnen, dass es uns nicht viel anders geht als einem menschlichen Häftling. Und bitte sie, uns bei ihren Besuchen auch auf der Ebene zu begegnen, auf denen du uns begegnet bist. Bitte sie, sich auf uns einzustimmen und zu versuchen, einen wirklichen Kontakt zu uns aufzubauen. Wir können alle so viel voneinander lernen und so viel miteinander erleben.“
Judith wischte sich verstohlen eine Träne von der Wange und antwortete gerührt: „Das werde ich tun. Ich verspreche euch, das werde ich tun. Ich werde es jedem erzählen, der mich anhört. Und irgendwann wird jedes Kind in dem Wissen erzogen werden, dass die Tiere unsere Geschwister sind auf unserem gemeinsamen Planeten Erde. Und dass ihre Weisheit und ihre Liebe unendlich ist.“
Banji, Kamahra und Pin sahen sie lange und ernst an und sagten dann im Chor: „Mögen deine Worte die Herzen und Seelen der Menschen berühren. Wir danken dir, geliebte Schwester.“

© 2009, Barbara Fegerl, www.seelenfluestern.net
Vervielfältigung und Verbreitung der unveränderten Texte für nicht-kommerzielle Zwecke unter Angabe der Quelle erlaubt und erwünscht.
Die Personen und Tiere in dieser Geschichte sind rein fiktiv! Vielleicht ähneln sie aber in gewissen Zügen den liebenswerten Menschenaffen in unseren Zoos...

Frohe Weihnachten!