Sonntag, 16. Dezember 2007

Tierkommunikations-Weihnachtsgeschichte, Teil 1

Versammlung der Tiere
Dieses Jahr beschloss eine Gruppe von Tieren, ihren Menschen ein ganz besonderes Geschenk zu machen: Sie wollten sie an die Kraft der Liebe erinnern. Einige Tage vor dem Weihnachtsfest versammelten sie sich auf einer Waldlichtung und berieten, was sie tun könnten, um das Herz ihres geliebten Herrchens oder Frauchens zu berühren.
Kater Max meldete sich zu Wort. „Wir jagen so viele Vögel, wie wir können und schenken sie ihnen als Liebesbeweis. Wenn wir den ganzen Tag ohne Unterlass jagen und die Geschenke vor ihnen auftürmen, dann werden sie sehen, wie groß unsere Liebe zu ihnen ist.“
Die Stute Lisa schüttelte angewidert den Kopf. „Tote Mäuse als Liebesbeweis? Wie ekelerregend! Ich werde mein Frauchen stundenlang abschmusen, dann spürt sie, wie lieb ich sie habe!“ Marco, ein pensioniertes Rennpferd stampfte mit dem Huf auf. „Wenn du das tust, wird dein Frauchen denken, du bist respektlos und dir einen Klaps auf die Nase geben. Die Menschen schätzen es nicht, wenn wir eigene Initiative ergreifen. Und wenn ein Pferd sie abschmust, glauben sie nur, es sucht nach einem Leckerli. Sie verstehen uns manchmal einfach überhaupt nicht!“
„Also mein Herrchen mag es sehr, wenn ich ihm meine Liebe durch Schmusen zeige“ meldete sich die Golden-Retriever Hündin Bella. „Wenn er vor dem Fernseher sitzt, dann kuschelt er stundenlang mit mir, streichelt mich und freut sich, wenn ich mich an ihn kuschle.“
„Das machst du aber dann ohnehin jeden Tag, Bella. Wir brauchen etwas, was die Menschen wirklich aus ihrem Alltag und ihren ganzen Gedanken aufrüttelt. Sie sind immer so weit weg. Immer in Gedanken und immer im Stress. Und dabei übersehen sie das Wesentliche.“ Die Meersau Rudi blickte traurig in die Runde. „Sie übersehen das Innehalten, das Stillwerden, das Genießen der Anwesenheit eines lieben Wesens. In ihrer Hektik und ihrem Tun-Müssen haben sie kaum Zeit für die Liebe. Liebe ist für die Menschen etwas begrenztes, genau definiertes, mit vielen Regeln eingeschränktes. Sie haben genaue Zeiten, Orte, Menschen, Tiere, die sie lieben, wo sie lieben, wann sie lieben. Liebe ist nicht das Zentrum ihres Lebens. Es ist eine Beschäftigung wie Essen oder Zeitung lesen. Ich finde das einfach traurig!“
Die anderen Tiere sahen betroffen aus. „Das stimmt,“ rief das Kaninchen Stupsi. „Ich werde immer nach dem Abendessen auf den Schoß genommen und gestreichelt. Meine Menschen haben einen ganz genauen Zeitplan, wann sich die Kinder mit mir beschäftigen dürfen und wann nicht. Sie dürfen nicht einmal zwischendurch in den Käfig greifen und mich streicheln – weil dann müssten sie sich wieder die Hände waschen, um sich nicht mit Keimen anzustecken. Was sind das für Zärtlichkeiten, die nach einem genauen Zeitplan ablaufen!?“
Rudi machte einen Schritt auf die anderen Tiere zu. „Was wollen wir tun? Wie glaubt ihr, können wir das Herz unserer Menschen erreichen?“ Die Tiere steckten die Köpfe zusammen und diskutierten eifrig. Es wurden Pläne geschmiedet, Theorien gewälzt, Ideen geboren und wieder verworfen. Es war schon dunkel geworden und die Tiere waren noch keinen Schritt weiter gekommen.
Auf einmal erhob sich der kleine Hamster Emil und sagte aufgeregt zu den anderen Tieren: „Ich habe eine Idee! Mir ist gerade etwas eingefallen: Am Weihnachtstag können die Menschen, die reinen Herzens sind, unsere Sprache verstehen! Ich kann mich an letztes Jahr erinnern. Plötzlich konnte ich mit meinem Frauchen sprechen! Sie hat mich verstanden. Es war so wunderschön! Ich habe ihr gesagt, wie lieb ich sie habe und dass ich den Käfig lieber in einer dunkleren Ecke stehen hätte, weil mich die Sonne oft aufgeweckt und geblendet hat. Und ich habe sie gebeten, mich öfter laufen zu lassen und mir den Bauch ganz sanft zu massieren, weil ich öfter Bauchschmerzen hatte. Und sie hat das alles getan! Es war mein allerschönstes Weihnachten. Ich fühlte mich so geliebt und willkommen und ernst genommen. Und ich habe das Gefühl, dass sich die Beziehung zu meinem Frauchen seitdem komplett gewandelt hat. Ich merke es an ihren Augen – sie sieht mich als denkendes Wesen mit Wünschen und Vorlieben! Das hat sie glaub ich vorher nicht getan.“

Die anderen Tiere sahen Emil einen Moment erstaunt an. Dann brach ein regelrechter Tumult aus. „Ich möchte auch mit meinem Frauchen reden können!“ „Ich wünsche mir so lange schon ein anderes Halsband. Meines kratzt immer so am Hals. Das könnte ich Herrchen endlich erklären!“ „Ich würde so gerne wieder einmal Fisch essen. Mein Frauchen gibt mir so selten welchen. Aber der schmeckt so gut! Vielleicht würde sie mir den Wunsch erfüllen!“ „Mein Sattel drückt so und mein Frauchen versteht nicht, dass ich deswegen so steif gehe. Ich könnte es ihr erklären. Vielleicht gäbe es eine Lösung!“ „Ich hätte so gerne wieder einmal Zuckerrüben. Ich habe schon jahrelang keine bekommen und sie schmecken mir so unendlich gut!“ „Salat! Ich beginne schon, von Salat zu träumen! Frauchen gibt mir so selten welchen. Ich könnte ihr erklären, wie sehr ich mich danach sehne!“ „Ich vermisse meine Kinder so sehr. Vielleicht weiß Frauchen, wo sie sind und ob es ihnen gut geht!“ Die Tiere riefen durcheinander und stachelten sich gegenseitig mit Wünschen an, die sie an ihre Menschen hätten und was sie ihnen alles sagen wollten.
Stupsi blickte nachdenklich in die Runde. „Aber wenn mein Frauchen nicht reinen Herzens ist, dann kann sie mich nicht verstehen, oder? Was tue ich dann?“ Stupsis Augen blickten auf einmal ganz traurig. „Ich würde ihr doch so gerne sagen, wie lieb ich die Familie habe und wie gut es mir gefällt, durch das Zimmer zu toben. Sie kümmern sich so gut um mich und ich kann nicht einmal danke sagen.“
Emil ging zu Stupsi und rieb zärtlich die Nase an seinem Fell. „Ich habe eine Idee! Wir müssen nur auf den Heiligen Abend warten. Unsere Menschen werden den ganzen Tag gestresst sein, beschäftigt mit Kochen und Geschenke- Verpacken und Baumaufputzen. Am Abend sehen sie dann den Weihnachtsbaum, all die bunten Lichter, das Leuchten in der Augen der Kinder und die Freude beim Geschenke-Auspacken. Wenn alles vorbei ist, alles still und sie erfüllt sind vom weihnachtlichen Zauber und Funkeln, dann sprechen wir sie an. Glaubt mir, es kann funktionieren!“
Die Tiere hatten zwar noch ihre Zweifel, ob dieser Plan gerade bei ihren Menschen funktionieren würde, doch sie gaben sich gegenseitig Hoffnung und beschlossen, es einfach zu probieren.


Fortsetzung: siehe Teil 2



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